Der Digital Economy and Society Index Report 2020 (DESI) der Europäischen Kommission belegt es: Platz 20 von 27 im Bereich digitaler Dienste ist für die Industrienation Deutschland inakzeptabel. Die Politik muss jetzt konsequent handeln und endlich bessere Rahmenbedingungen schaffen: für mehr Tempo bei E-Government, mehr Gründertum – und mehr Pioniergeist.
In nur 18 Minuten lässt sich in Estland eine Firma gründen. Dies haben inzwischen auch viele deutsche Gründerinnen und Gründer erkannt. Bisher haben bereits über 4.400 Deutsche eine estnische e-Residency beantragt und darüber mehr als 1.000 Unternehmen digital in Estland gegründet. Mit der Ende 2014 eingeführten e-Residency ist es Ausländern erlaubt, auf estnische Onlineservices zuzugreifen – mit der Möglichkeit, ein Unternehmen einfach und komfortabel im Onlineverfahren zu gründen. Mittlerweile werden rund 16 Prozent der neuen estnischen Unternehmen jährlich durch e-Einwohner gegründet.
Dabei gehören die Deutschen zu den aktivsten Gründern. Kein Wunder, denn hierzulande sehen sich Unternehmerinnen und Unternehmer gerade bei der Gründung mit zahlreichen bürokratischen Anforderungen konfrontiert, die mit Onlineservices weitaus einfacher zu bewältigen wären. Bessere Verwaltungsprozesse zählen zu den häufig genannten Wünschen deutscher Gründer, deren Zahl in den letzten Jahren rückläufig war.
Die Corona-Pandemie hat die bestehenden, großen Defizite mehr als deutlich werden lassen. Behörden waren digital nur unzureichend vorbereitet. Enorme staatliche Effizienzpotenziale liegen brach, und die zunehmende Kluft zwischen öffentlicher und privater digitaler Ausstattung droht zu einem ernsthaften Standortproblem zu werden. Die aktuelle Zettelwirtschaft in deutschen Amtsstuben ist für eine High-Tech Nation, für Bürgerinnen und Bürger wie für die Wirtschaft nicht nur eine Zumutung – eine weniger komplexe, dafür aber digitale Verwaltung hätte viele Umsetzungsprobleme gar nicht erst entstehen lassen. Mit einer starken digitalen Verwaltung hätten zum Beispiel November-Soforthilfen deutlich effizienter und vermutlich schon im November verteilt werden können.
Klar ist, dass Handlungsbedarf besteht. Unternehmen wollen wertvolle Zeit nicht länger für unnötig komplexe und langwierige Verwaltungsprozesse vergeuden. Der BDI setzt sich deshalb für mehr Tempo beim Thema E-Government ein. Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger erwarten heutzutage einen unkomplizierten Service der Verwaltung, der rund um die Uhr ortsunabhängig genutzt werden kann.
Das im Jahr 2017 verabschiedete Onlinezugangsgesetz (OZG), mit dem bis 2022 so gut wie alle Verwaltungsleistungen in Deutschland digitalisiert werden sollen, ist ein entscheidender Hebel, um die digitale Verwaltung endlich in die Fläche zu bringen. Die Aufstockung der bereits bereitgestellten Mittel von 1,5 Milliarden Euro auf drei Milliarden Euro im Rahmen des Konjunktur- und Krisenpakets ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Doch Geld allein reicht nicht aus. Zunächst sollte mit aller Kraft daran festgehalten werden, das OZG bis 2022 umzusetzen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die neu entwickelten digitalen Angebote nicht nur in einzelnen (Pilot-)Kommunen oder Ländern, sondern möglichst zeitnah für alle bereitgestellt werden.
Unternehmen kommen im Schnitt auf rund 130 Behördenkontakte pro Jahr. Deshalb müssen Unternehmen als zentrale Nutzer von Verwaltungsleistungen wieder in den Fokus der Debatte rücken. Deutschland braucht schnellstmöglich einheitliche Lösungen für die Unternehmen, denn die zunehmende Kluft zwischen öffentlicher und privater digitaler Ausstattung droht zu einem ernsthaften Standortproblem zu werden.