Im Eilverfahren boxt die Bundesregierung ein neues Klimaschutzgesetz mit schärferen Klimazielen durch. Das Zieljahr für die Klimaneutralität spontan um fünf Jahre vorzuziehen ist ein teurer Kraftakt. Auf dem Weg zum klimaneutralen Industrieland sind die Unternehmen Teil der Lösung. Dafür braucht es richtige Rahmenbedingungen: Mit der Aktion „Der Standort Deutschland – Die Wirtschaft macht’s“ zeigen der BDI, Mitglieds- und Spitzenverbände, dass Klimaneutralität anspruchsvoll, doch aus technologischer Perspektive kein Abrakadabra und grundsätzlich erreichbar ist.
Zum Erreichen der Ziele gehören neben technischem Können, Innovationen und viel Geld auch gesellschaftlicher Konsens und richtige Rahmenbedingungen. „Es reicht nicht, Klimaneutralität per Gesetz vorzuschreiben. Die Politik muss auch etwas dafür tun, dass das Ziel erreicht werden kann. Dafür braucht es so schnell wie möglich ein enormes Infrastrukturprogramm“, sagt BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Die Wirtschaft sei Teil der Lösung des Klimaproblems. Für ein klimaneutrales Industrieland bräuchten Unternehmen aber mehr Rationalität und Planbarkeit der Politik.
Kurzum: Ein wirtschaftsfreundliches Klimaschutzgesetz ist nötig. Dazu müssen im Hausaufgabenheft der neuen Bundesregierung vier Aufgaben ganz oben stehen:
- Strom muss günstiger werden, also rasch von Abgaben und Umlagen befreit werden. Schon heute hat Deutschland die höchsten Strompreise der Welt. Das ist ein erheblicher Standortnachteil.
- Zudem gilt es, das Innovationstempo mit gewaltigen Investitionen auf öffentlicher wie privater Ebene zu beschleunigen. Das setzt Technologieoffenheit und eine pragmatische Planung voraus.
- Für eine klimaneutrale Energieversorgung überall und zu jeder Zeit wird Wasserstoff als Transport- und Speicherlösung immer wichtiger. An einem schnellen Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft führt kein Weg vorbei.
- Ein Korsett jahresscharfer linearer Sektorziele auf Grundlage heutiger Abschätzungen schafft theoretische Zukunftslandschaften auf dem Reißbrett, aber hilft dem Klima nicht. Klimaneutralität ist kein Sprint, sondern ein Marathonlauf.
Allein wird Deutschland das Klima global ohnehin nicht verbessern. Zum einen müssen die nationalen Pläne mit dem europäischen Green Deal konsistent sein – sonst wird der Umbau teurer als nötig, kostet also Wohlstand. Zum anderen braucht es internationale Kooperationen, beispielsweise bieten sich mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden und seinem ehrgeizigen Klimaschutzprogramm neue Absatzmöglichkeiten für Produkte made in Germany aus den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien.
Zwar liegt der Anteil Deutschlands in der globalen CO2-Bilanz bei gerade einmal knapp zwei Prozent. Dennoch gibt es eine Verantwortung als Innovationschampion. Die Wirtschaft kann und will mit pragmatischen und profitablen Technologien, die auf Interesse auf den globalen Märkten stoßen, einen Beitrag zur weltweiten Emissionsreduktion leisten, etwa als Leitanbieter beim Aufbau eines globalen Wasserstoffmarktes.
„Die Regierung will ein Klimaschutzgesetz beschließen, in dem sie das Ziel Klimaneutralität nochmals fünf Jahre vorzieht auf 2045, lässt aber offen, wie das gehen soll. So kann das nicht funktionieren. Industrie-Anlagen laufen schon mal 20 Jahre und müssen vorher geplant und genehmigt werden. Dafür fehlen aktuell verlässliche Grundlagen“, sagt Siegfried Russwurm. Klimaschutz braucht weder Aktionismus noch Verbotspolitik oder neue Kostenrucksäcke für Unternehmen, sondern handfeste Investitionen.
Die Energiewende steht und fällt mit der Akzeptanz der Bevölkerung. Bereits in seiner ersten Klimapfade-Studie, die ein Reduktionsziel von 95 Prozent zur Grundlage hatte, ging der BDI von 2,3 Billionen Euro an Mehrinvestitionen bis 2050 aus. Deshalb fordert Russwurm mehr Geschwindigkeit: „2045 ist nicht irgendwann, für die Industrie ist das schon morgen Früh!“