„Afrika gewinnt für Deutschland zunehmend an strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung. Der Kontinent ist wichtig, um die ausgeprägte Abhängigkeit einzelner Branchen von asiatischen Absatzmärkten zu reduzieren“, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm auf der gemeinsamen Afrika-Reise mit Bundeskanzler Olaf Scholz. Gleichzeitig liege in Afrika der Schlüssel für viele Rohstoffe und grünen Wasserstoff. Dies ermöglicht gänzlich neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
Die Folgen der Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg in der Ukraine bekräftigen die Notwendigkeit, neue Partner zu suchen und Lieferketten zu diversifizieren. Insbesondere zwei Länder Afrikas rücken derzeit in den Fokus: Senegal und Südafrika.
Senegal verfügt über große Gasvorkommen vor seiner Küste und könnte somit für Deutschland einen Beitrag leisten, russisches Gas zu ersetzen. Ab Herbst 2023 will das westafrikanische Land Flüssigerdgas exportieren – auch nach Deutschland. Eine Zusammenarbeit im Bereich der Gasförderung wird von deutscher und senegalesischer Seite angestrebt.
Grünen Wasserstoff in Südafrika für Win-Win-Partnerschaften nutzen
Südafrika zählt auf dem afrikanischen Kontinent zu den wichtigsten Wirtschaftspartnern Deutschlands. Die Hälfte der knapp 900 deutschen Unternehmen in Afrika ist hier angesiedelt. Vor allem im Bereich der klimaneutralen Industrie gibt es großes Potenzial für Zusammenarbeit.
„Wasserstoff ist für Deutschland der Schlüssel zur Dekarbonisierung der Industrie. Südafrika ist ein vielversprechender Partner für grüne Wasserstoffpartnerschaften“, betont Russwurm. Für deutsche Maschinen- und Anlagenbauer sowie Technologieentwickler bietet grüner Wasserstoff einen guten „Business Case“. Viele von ihnen sind weltweit führend in der innovativen Technologie. Für Südafrika bieten die damit verbundenen hohen Investitionen die Möglichkeit, grünen Wasserstoff für seine eigene Industrialisierung zu nutzen und Arbeitsplätze zu schaffen. Hier gibt es enorme Möglichkeiten für Win-Win-Partnerschaften.
Untermauert wird dies von der Just Energy Transition Partnership: Gemeinsam mit der EU, dem Vereinigten Königreich, den USA und Frankreich engagiert sich Deutschland für die Dekarbonisierung der südafrikanischen Wirtschaft. „Die Just Energy Transition Partnership wird auch ein Ausgangspunkt dafür sein, dass sich die private Wirtschaft noch stärker in Südafrika engagiert und dort investiert, um auf Zukunftsmärkte wie grünen Wasserstoff zu setzen“, unterstrich Bundeskanzler Scholz.
Differenzen zeigen sich beim Thema Ukraine
Wirtschaftlich gibt es viele lohnende Anknüpfungspunkte, die sich für einen Ausbau der Beziehungen mit Afrika anbieten. Die Suche nach Verbündeten gegen Russland auf dem afrikanischen Kontinent gestaltet sich dagegen wesentlich schwieriger: Viele Länder Afrikas haben bislang auf eine klare Verurteilung des russischen Angriffs verzichtet. In der Abstimmung in der UN-Vollversammlung enthielten sich 17 von 54 afrikanischen Staaten – darunter Südafrika und Senegal. Dies zeigt, dass die Beziehungen zwischen Russland und dem Kontinent enger geworden sind, und zwar wirtschaftlich, diplomatisch und militärisch.
So sagt der senegalesische Präsident Sall, dass sein Land die russische Aggression zwar verurteile, aber keine Partei in dem Konflikt sein wolle. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa kritisiert die Sanktionen gegen Russland und weist darauf hin, dass auch die Länder, die nicht Teil des Konflikts sind, unter den Sanktionen gegen Russland leiden würden.
Ukraine-Krieg verschärft Ernährungskrise
Tatsächlich sind die negativen Auswirkungen bereits spürbar. Der Krieg hat die Preise für Lebensmittel, vornehmlich Weizen, und Düngemittel steigen lassen. Hilfsorganisationen warnen vor drohenden Hungersnöten. Fokus der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit muss daher der Ausbau von Agrobusiness zur eigenen Ernährungssicherheit sein. Dabei kann die deutsche Industrie mit Know-how und Technik unterstützen.
Die Afrika-Reise der deutschen Delegation ist ein starkes Signal. Die Industrie nimmt ihre globalen Diversifizierungsbemühungen ernst und setzt Afrika prominent auf die Agenda. Insbesondere mit Blick auf den Einfluss Russlands und Chinas gilt es, Deutschland als wichtigen Partner in Afrika zu positionieren.