Im Angesicht des Brexits stehen der deutschen Konjunktur bereits in diesem Jahr heftige Turbulenzen ins Haus, warnt der BDI. „Wir können froh sein, wenn sich das aktuelle Niveau der Industrieproduktion in Deutschland aufrechterhalten lässt“, sagte BDI-Präsident Dieter Kempf Anfang April auf der Hannover-Messe. Der Verband rechnet gerade noch mit einer schwarzen Null bei diesem fürs Industrieland Deutschland richtungweisenden Wert.
„Im Falle des ungeordneten Ausstiegs der Briten aus der EU droht im laufenden Jahr ein Rückfall auf nur noch 0,7 Prozent Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts“, betonte der BDI-Präsident. Zuletzt hatte der Industrieverband 1,2 Prozent Wachstum für 2019 prognostiziert.
Bei den deutschen Waren- und Dienstleistungsausfuhren rechnet der BDI für das laufende Jahr mit einem realen Plus von nur noch 1,5 Prozent. Zum wiederholten Mal wachsen die heimischen Importe rascher als die Exporte, was die Konjunktur bremst.
Der Brexit halte die deutsche Industrie unter Anspannung. „Mit der Fristverlängerung für den selbstgewählten Abschied der Briten aus der EU setzt sich die kraftraubende Unsicherheit für unsere Unternehmen fort“, sagte Kempf. Ob die kommenden Tage zu einem geordneten Ausstieg führen, dürfe bezweifelt werden. „Es besteht die Gefahr, dass die britische Politik ein weiteres Mal auf Kosten der Wirtschaft teuer Zeit erkauft – ohne die Rechnung verantworten zu wollen“, kritisierte der BDI-Präsident.
„Wenig hilfreich ist es bei diesem außenwirtschaftlichen Aprilwetter, wenn die Bundesregierung permanent nur an den letzten Sommer denkt“, sagte Kempf. „Es wird höchste Zeit für eine Wirtschaftspolitik, die Deutschlands Zukunft im Blick hat. Sie muss zugleich europäische und internationale Wetterumschwünge frühzeitig erkennen.“
Die Bundesregierung müsse Investitionen und Innovationen ankurbeln, anstatt sie in den aktuellen Haushaltsplanungen zurückzufahren. Für die Förderung der künstlichen Intelligenz wolle die Koalition zusätzlich nur eine Milliarde Euro bis 2023 investieren. Dies sei das falsche Signal, kritisierte Kempf. „Jede vierte Maschine ist bereits mit dem Internet verbunden“, erklärte der BDI-Präsident. „Mit den Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz wird die nächste Stufe von Industrie 4.0 gezündet.“
Die Bundesregierung entferne sich jedoch weiter vom Ziel, dreieinhalb Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung zu investieren. „Unser Fazit lautet: Die Große Koalition gibt das Geld falsch aus“, sagte Kempf weiter.
Der BDI-Präsident forderte die EU-27 zu mehr Zusammenarbeit auf. „Nur wenn die Mitgliedstaaten ihre Kräfte zur Entwicklung von Systemen zur künstlichen Intelligenz bündeln, bleibt Europa international wettbewerbsfähig“, erklärte Kempf. Die EU müsse ihre Hausaufgaben machen: Mehr Förderung von Forschung und Entwicklung sei nötig, eine gesamteuropäische Infrastruktur für Verkehr, Energie und digitale Netze müsse vorankommen. „Die Institutionen der Europäischen Union müssen sich wieder um mehr kümmern als nur um den Abschied der Briten“, verlangte der BDI-Präsident.