„Unseren Unternehmen bereiten globale Handelskonflikte, nationale Alleingänge und die Krise der WTO – neben den Standortbedingungen in Deutschland – große Sorgen. In den vergangenen Wochen sind die Schlagzeilen hierzu wieder größer geworden. Wie kaum ein anderer Verband ist der BDI aktiv, um internationale Koalitionen zu schmieden und sich gegen Protektionismus und für verlässliche, ausgewogene Handelsregeln einzusetzen.
Gemeinsam mit internationalen Partnerverbänden setzen wir uns zum Beispiel bei G7, G20, OECD oder der WTO für unsere Industrieinteressen ein. Wir kämpfen für eine starke und moderne Welthandelsorganisation, offene Märkte, die Durchsetzung von fairen Handelsregeln und geregelte Streitschlichtung. Die komplizierten und spannungsgeladenen transatlantischen Beziehungen machen deutlich, wie heikel die handelspolitische Situation ist.
Europäische Kommission und US-Regierung haben ihre Verhandlungsziele deutlich gemacht. Es ist jedoch schwer abzusehen, ob angesichts unterschiedlicher Erwartungen und Wahlzyklen in naher Zukunft aussichtsreiche Verhandlungen geführt werden können. Ende April war unser Hauptgeschäftsführer Joachim Lang in Washington, um Gespräche mit Stabschefs im Kongress, mit dem Department of Commerce, mit dem Weißen Haus und mit dem Handelsbeauftragten der Vereinigten Staaten zu führen. Dort hat er sich etwa für einen schnellen Abbau der zusätzlichen US-Zölle auf Aluminium und Stahl eingesetzt. Für dieses Ziel erfahren wir auch Unterstützung von führenden Republikanern im Kongress. Nicht-Reden ist keine Option. Aber die Umstände sind deutlich schwieriger geworden.
Und da ist noch ein anderer schwieriger großer Player – China. Anfang des Jahres haben wir unser Grundsatzpapier zu China veröffentlicht und bewusst von einem Systemwettbewerb zwischen Europa und China gesprochen. Diesem muss Europa sich stellen, ohne dabei die eigene Offenheit, zum Beispiel für ausländische Direktinvestitionen, aufzugeben. Nun hat auch die EU-Kommission im März ein Strategiepapier zu China vorgelegt, darin China als „systemic rival“ bezeichnet und klare Ziele für die Arbeit der Kommission in den nächsten Jahren gesteckt. Wir freuen uns über die geteilte Einschätzung – und sind gespannt, wie sich das im Arbeitsalltag auswirkt.
Für uns als BDI ist klar: Europa ist mehr denn je gefragt, seine liberale und soziale marktwirtschaftliche Ordnung gegenüber Chinas staatlich gelenkter Wirtschaft zu verteidigen. Beispielsweise stellt die Intransparenz auf dem chinesischen Markt die Durchführung von Anti-Subventionsverfahren vor große Herausforderungen. Die deutsche Industrie regt die künftige Europäische Kommission an, Möglichkeiten zu prüfen, wie sich die Regeln für handelspolitische Schutzinstrumente anpassen lassen, um schlagkräftiger auf Situationen zu reagieren, in denen staatsgelenkte Volkswirtschaften den Wettbewerb verzerren.
Mit Blick auf WTO-Recht und die Rechtsnormen der reformierten handelspolitischen Schutzverfahren ist zu prüfen, ob eine weitere Überarbeitung des Antisubventions-Regelwerkes angebracht ist. Allerdings dürfen handelspolitische Schutzinstrumente keine Hintertür für Protektionismus werden.
Während wir multilateral und transatlantisch dicke Bretter bohren, ist die bilaterale Agenda durchaus erfolgreich. Die erfolgreich abgeschlossenen Handelsabkommen mit Japan und Singapur unterstreichen dies. Die EU muss diesen Weg jetzt nach den Europa-Wahlen entschieden fortsetzen. Die Ratifizierung des Abkommens mit Vietnam und ein Abschluss mit den Mercosur-Staaten wären dieses Jahr zentrale Wegmarken. Alle diese Verhandlungen haben wir als BDI eng begleitet und die Erwartungen und Anforderungen der Wirtschaft in die Verhandlungen eingespeist.
Wir rechnen mit einer wachsenden Zahl von Freihandelsabkommen, aber auch mit mehr Marktverzerrungen durch Staatswirtschaften und Handelskonflikte. Damit werden die EU – und die Wirtschaft – künftig noch stärker auf die Durchsetzung internationaler Handelsregeln achten müssen. Ein koordiniertes Vorgehen von Kommission, Mitgliedstaaten und Wirtschaft zum Abbau von Handelsschranken und für die Funktionstüchtigkeit der eigenen handelspolitischen Schutzinstrumente müssen im Mittelpunkt stehen.“