Hermann Kulla hat sein gesamtes Berufsleben für den BDI gearbeitet. Er war Menschen persönlich begegnet, die wir heute nur aus den Geschichtsbüchern kennen: dem äthiopischen Kaiser Haile Selassie I., Irans Ministerpräsidenten Amir-Abbas Hoveyda, Julius Nyerere, Staatspräsident Tanganjikas, Sir Michael Blandell, Landwirtschaftsminister von Kenia, Alfred Herrhausen, Vorstandssprecher der Deutschen Bank, und den BDI-Präsidenten Hanns Martin Schleyer und Fritz Berg. Im Jahr 2016 ergab sich die Gelegenheit zu einem Gespräch mit ihm, dem letzten Zeitzeugen der Gründung des Verbandes.
Im Mai 1949 begann er, ein Quereinsteiger und Kriegsverletzter, als Sachbearbeiter beim Außenhandelsausschuss der industriellen Verbände (AIV) zu arbeiten. Der Ausschuss wurde im gleichen Jahr als BDI-Außenhandelsabteilung in die Geschäftsstelle des Dachverbandes überführt.
Für die deutsche Industrie standen die nächsten Jahre außenwirtschaftlich unter dem Zeichen der Europäischen Integration und des Wiedereinstiegs in den liberalen Handel. Sie waren begleitet vom Ost-West-Konflikt und der Dekolonisation der damaligen Entwicklungsländer.
„Wir waren ja nur zwei Mann (in der BDI-Außenhandelsabteilung, Anm. d. Red.) und jeder hat dann einen Teil der Welt bearbeitet. Ich war im Wesentlichen für Großbritannien, Schweiz, Österreich, Jugoslawien, Griechenland zuständig, und dann ging es rüber in den Vorderen Orient und das ganze östliche Afrika“, sagte Hermann Kulla. So erlebte er den ersten Besuch eines Staatsoberhauptes in der Bundesrepublik unmittelbar mit, als im November 1954 der Kaiser von Äthiopien, Haile Selassie I., nach Deutschland kam. Hermann Kulla hatte in seiner Verantwortung für die Region den Kaiser „für den BDI betreut“, sodass er ihn auch aus unmittelbarer Nähe fotografieren konnte.
1959 wurde er Referent in der Abteilung für Absatzförderung und 1970 deren Abteilungsleiter. Neben der Geschäftsführung des BDI-Ausschusses für Absatzfragen und des Arbeitsrings Ausland übernahm er 1975 die Funktion des BDI-Berlin-Beauftragten. 1985 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Er nahm an zahlreichen BDI-Delegationsreisen teil. So informierte der BDI-Jahresbericht 1962/1963 zum Beispiel über eine Delegationsreise durch die Länder Tanganjika, Sansibar, Kenia, Uganda und Madagaskar. Dabei wurden Gespräche mit Staatspräsidenten und Wirtschaftsministern geführt und Ideen für das Errichten von Industrieanlagen und zur Herstellung einfacher Werkzeuge ausgetauscht. Diese sollten vornehmlich in der Landwirtschaft helfen, um von Importen und deren Preisschwankungen unabhängiger zu werden. Hermann Kullas Fotos von dieser Studienreise illustrieren den Bericht.
Nach 36 Jahren Außenwirtschaftspolitik beim BDI ging er 1986 in Rente.
Die Schnappschüsse im BDI-Archiv sind mitunter die einzig erhaltenen Originalquellen einzelner Ereignisse. Sie konnten bereits für Veröffentlichungen verwendet werden, zum Beispiel als Titelbilder für geschichtswissenschaftliche Bücher, wie dem Buch „Industrie, Politik, Gesellschaft. Der BDI und seine Vorgänger 1919-1990“ oder für ein weiteres zur Geschichte der Überseemärkte in der frühen Bundesrepublik aus dem vergangenen Jahr von Steffen Dörre.