Mit der sogenannten Neuen Seidenstraße, einem von Peking propagierten Handelskorridor von Asien nach Europa und Afrika, schafft das Land als Infrastruktur-Supermacht eigene Standards – und versucht, damit eine Globalisierung chinesischer Prägung voranzutreiben. Die gesellschaftliche Kontrolle in der Volksrepublik wird durch künstliche Intelligenz und Big-Data noch effizienter, die Wirtschaftsplanung allumfassender. Peking sieht sein System als überlegen an und preist sich zusehends als bessere Alternative zu Demokratie, offener Gesellschaft und Marktwirtschaft.
Für Deutschland ist die Volksrepublik heute nicht nur der größte Handelspartner, China ist zugleich auch der schwierigste Markt. Die Kommunistische Partei (KPCh) verengt den Freiraum auch für unternehmerisches Handeln, was die Aussichten für ausländische Firmen vor Ort trübt. Mit einer wirtschaftlichen Öffnung ist nur noch punktuell zu rechnen – und zwar nur noch dort, wo Hightech oder Wissen aus dem Ausland dringend gebraucht werden.
Das ist betrüblich, denn Deng Xiaoping hatte erkannt, dass die wahre Ursache der westlichen Stärke nicht das politische, sondern das Wirtschaftssystem ist. Insofern war es konsequent, die Idee der Marktwirtschaft, modifiziert auf China, zu übertragen. Nun kollidiert das Bekenntnis von Staatspräsident Xi Jinping für Globalisierung und Freihandel in Davos vor einem Jahr mit dem stetigen Verfestigen des staatskapitalistischen Systems. Besonders augenfällig ist das seit dem Parteitag der KPCh im Herbst: Xi Jinping proklamierte den Beginn einer neuen Ära für den Sozialismus chinesischer Prägung. Die Partei erhebt erneut den Anspruch auf umfassende Kontrolle aller Gesellschafts- und Wirtschaftsbereiche, der Staatssektor wird wieder gestärkt, Ideologie spielt abermals eine herausgehobene Rolle.
Dem industriepolitischen Masterplan „Made in China 2025“ nach sollen chinesische Unternehmen durch immense Förderprogramme zu weltweiten Technologieführern in Schlüsselindustrien aufsteigen. Dies wird langfristig zu neuen problematischen Überkapazitäten und ineffizientem Wirtschaften führen. Dennoch sind die kurz- und mittelfristigen Erfolge sichtbar: Chinesische Unternehmen, die mit der Macht des Staates im Rücken auf die Weltmärkte drängen, stellen für westliche Wettbewerber eine enorme Herausforderung dar.
Das muss eine Bundesregierung, das muss die europäischen Partner und Institutionen wach rütteln. Die Politik in Berlin und Brüssel braucht zügig eine selbstbewusste und abgestimmte Strategie für das neue Miteinander mit der Volksrepublik. Wir Europäer befinden uns mit China in einem noch ungewohnten Systemwettbewerb. Für die asymmetrischen Realitäten müssen wir in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eigene Mittel und Wege finden, den Wettbewerb zu bestehen.
Europa mit seiner offenen Marktwirtschaft ist zunehmend eingeengt zwischen Chinas Staatskapitalismus und den protektionistischer werdenden Vereinigten Staaten von Amerika. Es ist Zeit, sich auf unsere Stärken zu besinnen: Soziale Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit haben uns zu dem gemacht, was wir sind.
Deutschland und die EU müssen ihre eigene Innovationskraft massiv stärken. Notwendig sind mehr Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung. Der digitale EU-Binnenmarkt muss dringend verwirklicht werden, denn erfolgreiche digitale Geschäftsmodelle brauchen ganz Europa als Mindestgröße.
Spannungen müssen im multilateralen Rahmen der Welthandelsorganisation WTO gelöst werden. Einseitige und nicht WTO-konforme Maßnahmen würden eine Spirale protektionistischer Reaktionen auslösen. Es war der damalige Weltbank-Chef Robert Zoellick, der China schon 2005 aufgefordert hat, ein „verantwortungsbewusster Teilhaber“ am internationalen System zu werden. Es ist richtig, diesen Weg weiterzugehen, aber gleichzeitig auch bei den USA – womit niemand gerechnet hat – unablässig dafür zu werben, diese einzigartige Institution zu stärken.
Für die exportstarke deutsche Industrie hätte ein Konflikt der beiden Wirtschaftssupermächte einschneidende Auswirkungen: Sowohl die USA wie China sind die wichtigsten außereuropäischen Handelspartner der Bundesrepublik. Deshalb müssen die EU und Deutschland Bannerträger bleiben für Offenheit, Wettbewerb und Multilateralismus. Das ist der beste Weg – im Jahr des Hundes und danach.