Der BDI sieht die Erholung der wirtschaftlichen Aktivität in der Industrie weiter gefährdet. „Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie ist groß, die wirtschaftliche Lage bleibt schwierig“, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm auf der BDI-Pressekonferenz zum Jahresauftakt in Berlin.
„Für Deutschland erwartet der BDI in diesem Jahr einen BIP-Zuwachs in einer Größenordnung von 3,5 Prozent.“ Eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau werde also im laufenden Jahr noch nicht erreicht. „Es sollte aber eine gute Chance geben, dass das dann im ersten Halbjahr 2022 gelingt.“ Im vorigen Jahr war das BIP um rund fünf Prozent eingebrochen. „Für die Exporte gehen wir von einer Steigerung um sechs Prozent aus“, sagte Russwurm – nach dem Absturz um zehn Prozent 2020.
„Auch 2021 ist die Industrie der Motor, der Wirtschaft und Wohlstand unseres Landes antreibt“, betonte der BDI-Präsident. Er plädierte für eine Offenhaltung industrieller Aktivität: „Umso wichtiger ist es, die Industrie weiter am Laufen zu halten – trotz verschärfter Lage, trotz ausgeweiteter Mobilitätseinschränkungen und großflächiger Schulschließungen.“ Nur mit seiner starken Industrie könne Deutschland zuversichtlich auf weiterhin notwendige Unterstützung der vielen Hilfsbedürftigen aus der Wirtschaft blicken, vor allem der kleinen und mittleren Unternehmen, der Solo-Selbstständigen und Kulturschaffenden, deren Geschäftsmodell durch die Pandemie zusammengebrochen ist, aber eben auch der großen Unternehmen.
Der BDI-Präsident verlangte von der Corona-Politik in Bund und Ländern mehr Berechenbarkeit und eine verlässlichere Planungsgrundlage: „Keine Symbolpolitik mit dem Prinzip Hoffnung, sondern eine Mittelfrist-Strategie nach dem Prinzip Evidenz. Zurecht ist die Erwartung groß, dass die Politik spätestens im Februar differenzierte und kreativere Lösungen liefert statt weiterer pauschaler Schließungen – und explizite Vorschläge für Lockerungen, wo immer möglich und vertretbar“, forderte Russwurm.
Der BDI-Präsident warnte die Politik in Bund und Ländern davor, im beginnenden Wahlkampf den Blick auf die Herausforderungen am Standort Deutschland zu vernachlässigen: „Corona hat nicht die Pause-Taste gedrückt, sondern ‚Fast Forward‘.“ Es würde sich bitter rächen, wenn akutes Krisenmanagement und Wahlkampf den Blick auf die erforderliche Dynamik des Standorts Deutschland verstellen und Wirtschaft und Gesellschaft so ein Jahr verlieren würden. „Deutschland hat das Zeug zu mehr. Wer künftig nicht nur mit dem Rotstift regieren will, muss auf Wachstum setzen. Deutschland braucht ein Wachstumsprogramm 2030“, forderte der BDI-Präsident.
Mit Blick auf die durch immer ehrgeizigere Klimaziele notwendigen Investitionen in Klimaschutztechnologien verlangte Russwurm mehr staatliche Unterstützung: „Der neue nationale CO2-Preis braucht dringend einen wirksamen Korrekturmechanismus: Er muss das Abwandern energieintensiver Industrien in Regionen mit weniger anspruchsvoller Regulierung verhindern und darf gleichzeitig nicht zur Ausrede für neue Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse werden.“ Die deutsche Industrie verfüge auf dem Weg zu Klimaneutralität 2050 über das Potenzial, Technologien mit Weltmarktchancen zu entwickeln und international zur Anwendung zu bringen – wenn sie global wettbewerbsfähig ist.
Die weltwirtschaftlichen Perspektiven sind nach Ansicht des BDI-Präsidenten in diesem Jahr für die exportstarke deutsche Industrie besser als erwartet: „Die Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten erleichtert den Weg für multilaterale Lösungen und gemeinsame Initiativen für faire Wettbewerbsbedingungen auf den Weltmärkten“, sagte Russwurm. „Vom globalen Wachstumstreiber China werden unsere Unternehmen profitieren, ebenso wie von der Einigung auf ein Investitionsabkommen, auch wenn es nicht perfekt ist.“ In der Weltwirtschaft sei insgesamt nach dem starken Einbruch solide Erholung in Sicht.