Mit der Wahl von Donald Trump ist eine Welle der Besorgnis durch die Welt gegangen.
Wir stehen nun vor einer neuen Realität: Die Verunsicherung über diesen Wahlausgang ist weltweit groß – auch und gerade in der Wirtschaft. Dennoch müssen wir nach vorne blicken.
Deshalb richtet sich mein erster Appell an die deutsche und europäische Politik: Wir müssen aktiv auf die neue US-Regierung zugehen. Wir müssen das von unserer Seite Mögliche tun, um zu verhindern, dass eine Rhetorik der Spaltung, der Abschottung und der „America-First“-Politik in praktische Politik umgesetzt wird.
Die USA bleiben ein wichtiger Partner, um die Globalisierung zu gestalten, die Weltwirtschaft wieder zu beleben und die geopolitischen Krisen zu adressieren. Auch wenn die USA vor vielen innen- und gesellschaftspolitischen Herausforderungen stehen, müssen sie ihre globale Führungsrolle weiter ausfüllen.
So richtet sich mein zweiter Appell an den neuen US-Präsidenten: Machen Sie bitte schnell klar, dass sich die USA nicht von der Welt abwenden, sondern ihr globales Engagement auf Basis bestehender Verträge, Institutionen und Bündnisse fortsetzen werden. Sonst werden aus der Verunsicherung von heute schnell ganz konkrete negative Effekte für die Weltwirtschaft.
Gerade nach dieser Wahl möchte ich die Gelegenheit nutzen, über eine Entwicklung zu sprechen, die mich, wie viele andere auch, zutiefst beunruhigt – und die maßgeblich zur Wahl Donald Trumps beigetragen hat. Ich meine den wachsenden Populismus und den Wunsch nach Abschottung in Teilen der Bevölkerung. Gibt es all das wirklich nur in den USA?
Wir in Europa haben noch keinen Donald Trump hervorgebracht. Seine Rhetorik ist leider auch in Europa verbreitet. Dem müssen wir in Europa und unsere Partner in den USA eine Agenda entgegensetzen: eine Agenda, die von einer offenen Gesellschaft, von Ideen und Innovationen, von Respekt und Humanismus und vom Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geprägt ist. Eine Agenda, die die Globalisierung und die Digitalisierung annehmen und gestalten will, statt sie zurückzudrehen.
Eine erfolgreiche, zukunftsweisende transatlantische Partnerschaft kann nur auf diesen Werten beruhen – nicht auf dem Wettlauf um die größte Abschottung. Wir müssen immer wieder für die Werte werben und streiten, die uns lieb und teuer sind: Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat, Pluralismus, Respekt vor dem Anderen.
Auch die USA brauchen eine solche Offenheit – gesellschaftlich wie wirtschaftlich: Eine „America-First“-Politik würde amerikanischen Unternehmern und Verbrauchern massiv schaden. Wie wollen die USA eine weitere Stärkung ihrer industriellen Basis erreichen und ihr Land modernisieren, ohne den Import von Produkten und Dienstleistungen, etwa von Technologie und Ingenieurskunst aus Deutschland? Wir in Europa haben den USA viel anzubieten. Schon jetzt – ohne ein Freihandelsabkommen – ist die EU der wichtigste Exportmarkt für die USA.
Uns allen ist bewusst, dass Donald Trump sich im Wahlkampf äußerst skeptisch gegenüber Freihandel geäußert hat. Dabei profitiert die US-Wirtschaft von offenen Märkten. Das hat jeder US-Präsident in der neueren Geschichte des Landes anerkannt.
Deshalb sollten wir nicht die Flinte ins Korn werfen. Wir müssen erklären, weshalb TTIP überhaupt verhandelt wird. Es geht um Wachstumsimpulse auf beiden Seiten des Atlantiks – indem wir Bürokratie in den transatlantischen Wertschöpfungsketten abbauen und fortschrittliche Regeln für die Globalisierung entwickeln. Ich bin überzeugt: Gegen ein faires TTIP-Abkommen erhebt letztlich auch ein Präsident Trump keine Einwände.