Die grundlegende Frage, die Kremer momentan umtreibt, ist: Was für eine digitale Welt wollen wir? „Eine Welt, in der alles gemacht werden darf, was gemacht werden kann? Oder eine Welt, in der die Grundprinzipien einer freien und sozialen Gesellschaft, die das Individuum schützt, weiterhin gelten?“ Die Digitalisierung ist für ihn eines der wichtigsten Themen, die den Rechtsausschuss derzeit bewegen. „Das Internet kennt keine nationalen Grenzen. deshalb spielt sich unsere politische Arbeit stark auf europäischer Ebene ab“, betont der 59-Jährige, der seit 2012 Vorstand für Datenschutz, Recht und Compliance der Deutschen Telekom ist.
Es gibt erste Erfolge, etwa die Datenschutzgrundverordnung: Sie stellt sicher, dass sich Unternehmen aus Übersee an europäische Datenschutzregeln halten müssen. Auch bei der Bekämpfung von Cyberkriminalität gibt es Fortschritte: Mehr Zusammenarbeit, aber zusätzliche Meldepflichten sind Beispiele dafür.
Kritischer sind ethisch-rechtliche Fragen, die sich auf Robotik und künstliche Intelligenz beziehen. „In Politik und Gesellschaft beschäftigen wir uns noch zu wenig mit diesen Themen. Die Debatte muss viel breiter werden“, fordert der Jurist.
Auch privat diskutiert Kremer diese Fragen intensiv mit seiner Frau. Sie ist ebenfalls vom Fach und als Chefjuristin der Düsseldorfer Stadtsparkasse tätig. Die 16-jährige Tochter ist als Digital Native von Anfang an mit dem Netz und sozialen Medien aufgewachsen – und offenbar ausreichend sensibilisiert: Ihre Kamera am Laptop ist jedenfalls zugeklebt. „Ich erlebe, dass sich auch junge Menschen leidenschaftlich mit vermeintlich trockenen Themen wie Recht oder Datenschutz beschäftigten“, erklärt Kremer. „Das motiviert mich.“
Neben einer breiten Debatte über die Regeln der Digitalisierung brauche es zudem vor allem Aufklärung der Menschen über Risiken im Internet. Da passt es gut, dass Kremer auch Vorsitzender des Vereins „Deutschland sicher im Netz“ ist. Dieser hat sich vor allem die zielgruppenspezifische Information von Verbrauchern und kleineren Unternehmen auf die Fahnen geschrieben.
Das Engagement für rechtspolitische Fragen bewegt Thomas Kremer seit seinem Studium der Rechtswissenschaften an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität in Bonn, wo er auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war. Seine Arbeitsgebiete umfassten das GmbH- sowie das Aktien- und Konzernrecht. Er war schon damals im Juristentag im Bereich Wirtschaftsrecht aktiv. Vor seinem Vorstandposten bei der Telekom war Kremer Direktor bei der ThyssenKrupp AG und Leiter des Corporate Center Legal & Compliance.
Fragen zu Compliance beschäftigen neben dem Rechtsausschuss des BDI auch die Regierungskommission für den Deutschen Corporate-Governance-Kodex, in der Kremer Mitglied ist. Für ihn steht fest: „Es geht darum, für Unternehmen praktikable Lösungen zu entwickeln und zugleich die ethische Unternehmensführung zu stärken. Wir brauchen die richtige Haltung in Wirtschaft und Gesellschaft – zumal die Digitalisierung viele Standards in Frage stellt, die bisher selbstverständlich waren. Wir müssen von zwei Seiten kommen: den inneren Kompass stärken und die richtigen Rahmenbedingungen definieren. Dafür setzt sich der Rechtsausschuss ein.“