BDI-Präsident Dieter Kempf war nicht der Einzige, der im Januar sein neues Amt antrat: Auch US-Präsident Donald Trump nahm die Arbeit auf. Seine Politik und seine Kritik an der deutschen Wirtschaft und dem Handelsbilanzüberschuss begleiteten den BDI fortan. Bereits anlässlich seines Amtsantritts im Beisein des Bundespräsidenten richtete Kempf seine erste Botschaft an die neue US-Administration: Amerika müsse die Gefahr seiner neuen Wirtschaftspolitik erkennen. Mit Blick auf den wichtigsten Handelspartner Deutschlands warnte der BDI-Präsident vor einer Trendwende weg vom Freihandel hin zu Abschottung:
„Dies würde der gesamten Weltwirtschaft und insbesondere der exportorientierten deutschen Wirtschaft schaden.“ Jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland hänge vom Export ab – in der Industrie sogar jeder zweite. „‘Make America great again‘ klappt definitiv nicht mit Abschottung“, unterstrich Kempf. Schließlich seien die Unternehmen in den USA auf deutsche Ingenieurstechnologie und Zwischenprodukte aus Europa angewiesen.
Auch im europäischen Superwahljahr – mit Urnengängen etwa in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Tschechien oder dem Vereinigten Königreich – kamen protektionistische und nationalistische Töne auf. Die Antwort des BDI darauf war eindeutig:
„Enge Wertschöpfungsverbünde garantieren die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer europäischen Unternehmen. Deshalb ist Protektionismus ein Irrweg, der Menschen, Ideen und Produkte behindert“, hob Kempf hervor. „Der Weg zurück in den Nationalismus ist eine Sackgasse. Sicherheit, Migration, Wachstum, Arbeitsplätze, Klimawandel: Das können wir Europäer nur gemeinsam meistern. Europa ist nicht das Problem, sondern die Lösung.“
Den Appell zum gemeinsamen Vorgehen setzte der BDI-Präsident zum G7-Gipfel im Mai fort: „Es kommt auf eine gemeinsame schrittweise Einführung von CO2-Preissignalen in den G20-Staaten an“, sagte Kempf. „Ein ehrgeiziger Zeitplan für einen zügigen Ausstieg der Weltgemeinschaft aus der ineffizienten Subventionierung fossiler Energien ist unerlässlich.“
Es dürfe keine Trendwende weg vom Freihandel hin zu Abschottung geben, der Welthandel sei kein Nullsummenspiel, bei dem der eine gewinnt und der andere verliert. Dieser Einsicht sollte sich Washington nicht entziehen. „Wenn wir zusammenarbeiten, gewinnen alle. Wenn wir gegeneinander arbeiten, kostet das Wohlstand, Jobs und Aufstiegschancen – überall auf der Welt.“
Die Gefahr dieser Trendwende schien mit dem Sieg des überzeugten Europäers Emmanuel Macron in der Präsidentenwahl in Frankreich vorerst zumindest in Europa gestoppt. Der BDI zeigte sich erleichtert: „Wir in Deutschland wünschen uns ein starkes Frankreich in Europa“, erklärte Kempf. Deutschland ist Frankreichs wichtigster Handelspartner: Der deutsche Markt ist das französische Exportziel Nummer eins und wichtigstes Lieferland. Für Deutschland ist Frankreich der zweitwichtigste Abnehmer und drittwichtigster Lieferant.
Ein weiterer wichtiger Handelspartner Deutschlands, der die Politik und Wirtschaft mit der Entscheidung zum Brexit konstant beschäftigt und dies auch noch nach 2017 tun wird, ist das Vereinigte Königreich. Der BDI bezog eindeutig Position, die auch von britischen Medien breit aufgenommen wurde:
„Deutsche Unternehmen müssen Vorsorge für den Ernstfall eines sehr harten Ausscheidens treffen, alles andere wäre naiv“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. „Die Wirtschaft bereitet sich auf alle Szenarien vor.“ Lang stellte klar, dass die Wirtschaft fest hinter der Verhandlungsstrategie der EU stehe. „Die deutsche Industrie strebt ein sehr enges künftiges Verhältnis zu Großbritannien an. Nur muss klar sein: Wir räumen der Weiterentwicklung der EU den Vorrang ein.“
Vor diesem Hintergrund warnte BDI-Präsident Kempf zum EU-Digitalgipfel der Staats- und Regierungschefs in Estland im Herbst vor nationalen Alleingängen: „Gesetzliche Regulierung darf nur noch auf gesamteuropäischer Ebene erfolgen. Aus dem regulatorischen Flickenteppich der 28 EU-Mitgliedstaaten muss zügig ein echter, funktionierender digitaler Binnenmarkt werden.“ Der zügige Ausbau einer europaweiten hochleistungsfähigen digitalen Infrastruktur gehöre auf die Prioritätenliste der EU-Kommission.
Industrie 4.0, Smart Health oder Smart Mobility sind auf Gigabit-Datenraten, niedrige Verzögerungszeiten und geringe Schwankungen in den Netzen angewiesen. Mit Blick auf die Bundestagswahlen verlangte Kempf: „Eine neue Bundesregierung muss den Ausbau der digitalen Netze hierzulande stärker forcieren. Es ist ein Unding, dass Deutschland bei der Internetgeschwindigkeit in Europa auf Platz 15 von 31 Nationen liegt.“
Die Warnung vor nationalen Alleingängen ließ sich ebenso auf die Klimapolitik der Bundesregierung übertragen. Zum Bonner Weltklimagipfel im November sprach sich der BDI gegen einen deutschen Sonderweg in der Klimapolitik aus: „Nationale Alleingänge führen in der weltweit vernetzten Energie- und Klimapolitik in eine Sackgasse. Sonderwege wie die Einführung eines nationalen CO2-Preises bringen dem weltweiten Klima nichts – und verschlechtern die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen.“ Produktion würde ins Ausland verlagert, der Strompreis weiter steigen. Den Unternehmen bereiteten die immer weiter steigenden Energiekosten große Sorgen.
Der Weltklimagipfel fiel just in die heiße Phase der Sondierungsverhandlungen für eine Jamaika-Koalition. Als diese platzte, erinnerte der BDI-Präsident Union, SPD, FDP und Grüne daran, ihrer politischen Verantwortung gerecht zu werden: „Alle Parteien müssen bereit sein, Kompromisse für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung zu schließen.“
Mit Blick auf 2018 und angesichts weltweiter Krisen, des Reformbedarfs in Europa und drängender Entscheidungen für Investitionen in den Industriestandort Deutschland betonte Kempf: „Wir können Europas und Deutschlands Zukunft nur mit einer handlungsfähigen Bundesregierung gestalten. Je länger die Regierungsbildung nun dauert, desto größer wird die Ungeduld unserer Unternehmen.“
Auf vielen Politikfeldern drohe ein politisches Vakuum, das andere schnell füllen werden. Das ist nach Ansicht des BDI-Präsidenten schädlich für das Land und für die Wirtschaft. Unternehmen wünschten sich politische Stabilität, um ihrerseits in die Zukunft zu investieren. „Unser Land braucht schnelleres Internet und bessere Bildung, sichere Straßen und stabile Energienetze. Die gute Wirtschaftslage ist kein Freifahrtschein zum Ausruhen auf Erreichtem.“