„Die transatlantische Partnerschaft ist mit der Wahl Donald Trumps vor einem Jahr in schwieriges Fahrwasser geraten. Die spezielle Art des 45. US-Präsidenten verunsichert uns Europäer nun seit fast einem Jahr. Tweets haben einen bedeutenden Teil politischer Kommunikation ersetzt, Emotion ist an die Stelle von Klarheit und Verlässlichkeit getreten. Dabei sind die transatlantischen Beziehungen unverändert stark und gehen tief. Bei allen Wellen und Wogen, die die unpräsidiale Rhetorik Donald Trumps auslöst: Es sind die Tiefenströmungen, die den Fluss des Wassers bestimmen. Es gibt unzählige persönliche, politische, kulturelle und geschäftliche Ankerpunkte.
Viele Positionen des US-Präsidenten haben keine politische wie gesellschaftliche Mehrheit. Sogar die eigene Republikanische Partei steht mehr schlecht als recht hinter dem Weißen Haus. Viele Wahlkampfversprechen bleiben leere Worte – trotz einer deutlichen republikanischen Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses.
Die institutionellen und wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den USA und Europa fußen auf bewährten gemeinsamen Werten und Überzeugungen. Wir in der deutschen Industrie haben Vertrauen, dass diese Ankerketten auch in rauerer See halten. Wir haben Vertrauen in die amerikanische Demokratie mit ihrem System der Checks and Balances. Dieses Vertrauen darf uns zwar nicht zum Müßiggang verleiten. Wir dürfen daraus jedoch eine innere Ruhe und kühle Klarheit ziehen. Nur so lassen sich die transatlantischen Beziehungen mit neuer Energie beleben. Es ist höchste Zeit und liegt an uns im Westen, neue, überzeugende, freiheitliche Antworten für die gemeinsame Zukunft zu geben.
Deutschland ist gegenüber den Großmächten USA und China selbst als Exportvizeweltmeister eine verhältnismäßig kleine Nation. Mit Blick auf die beiden Staaten fahren wir im Bündnis mit unseren europäischen Partnern besser: Gemeinsam haben wir mehr Gewicht. Deshalb ist es ungemein wichtig, die EU weiter zu stärken. Europa ist nicht das Problem, Europa bietet vielmehr die Lösung vieler Probleme – und zwar ausschließlich Europa.
Auf unserem Kontinent wie in den USA beobachten wir einen gesellschaftlichen Wandel, der am 8. November vergangenen Jahres für alle sichtbar wurde, aber lange zuvor begann. Das Ausmaß der Veränderungen ist noch nicht absehbar. Dies- und jenseits des Atlantiks stehen wir nicht vor denselben, aber doch vor ähnlichen Aufgaben. Das legt den Schluss nahe: Problemlösung ist gemeinsam einfacher.
Was kein einziges Problem löst, ist Protektionismus. Die weltweite Verflechtung unserer Produktionsketten ist ein Faktum. Nahezu jedes Produkt ist heute Ergebnis einer langen Kette von Produktionsschritten. Jeder dieser Schritte ist entscheidend für Qualität und Wettbewerbsfähigkeit – und die Basis unseres enorm gewachsenen Wohlstandes. Dieser ist nicht ohne Wachstumsschmerzen zu haben. Neben vielen Gewinnern der Globalisierung gibt es auch Zurückgelassene. Das darf nicht unter den Teppich gekehrt werden. Doch jeder Versuch, die Zeit um 50 oder 60 Jahren zurückzudrehen, wird deutlich mehr Verlierer als Gewinner hervorbringen. Protektionismus, egal in welchem Gewand, ist eine Politik für eine Minderheit auf Kosten der Mehrheit. Auch mit den USA muss es das Ziel bleiben, Handelsbarrieren abzubauen.
Und auch internationale Herausforderungen lassen sich nur sinnvoll in Kooperation zwischen der EU und den USA bewältigen. Die von der derzeitigen US-Administration oft geforderten gleichen Wettbewerbsbedingungen sind im Interesse der europäischen Partner. Es gibt berechtigte Kritik in Washington DC, die wir unterstützen. Mangelnden Schutz geistigen Eigentums in manchen Teilen der Welt lehnen wir ab, ebenso durch Überkapazitäten verursachten unfairen Wettbewerb oder ungleichen Marktzugang bei Investitionen. Die Forderung nach gleichen Regeln für alle sollte sich vorbildhaft zwischen den USA und der EU umsetzen lassen – und darauf aufbauend in der Gruppe der führenden Industriestaaten G20 und am besten in der Welthandelsorganisation WTO. Sie ist das in der Wirtschaftspolitik zentrale Element einer multilateralen Ordnung. Multilateralismus schafft sowohl politisch wie ökonomisch Verlässlichkeit und Stabilität. Dagegen bedrohen einseitig beschlossene Sanktionen, die wie ein Damokles-Schwert über Geschäften in Drittländern schweben, enge Bande.
Schon zweimal seit meinem Amtsantritt als BDI-Präsident im Januar bin ich in die USA gereist. In Gesprächen mit dem US-Wirtschaftsminister und dem US-Handelsbeauftragten, mit Transatlantikern in Regierung und Verwaltung sowie im Kongress haben wir unsere Position deutlich gemacht, aber auch zugehört. Wir müssen miteinander im Gespräch bleiben, uns erklären und für unsere Interessen argumentieren. Die Alternative, eine Abkühlung im Verhältnis zu den USA, wäre eine politische und ökonomische Dummheit ersten Ranges.
Das in knapp einem Jahr beginnende Deutschlandjahr in den USA wird ein wichtiges Zeichen der Gemeinsamkeit des Westens setzen. Das Auswärtige Amt, das Goethe-Institut und der BDI werden das Deutschlandjahr ab Oktober kommenden Jahres gemeinsam in den USA ausrichten. Zeigen wir uns selbstbewusst: Deutsche Erfahrungen, Innovationen und Ingenieurstechnik können zu etlichen Problemlösungen in den USA beitragen – wie wir umgekehrt von den USA profitieren.“