Die EU-Kommission sieht die deutsche Wirtschaft auf dem richtigen Weg. Die Wachstumsdynamik dürfte sich nach einem Anstieg von 1,9 Prozent im vergangenen Jahr fortsetzen. Die Investitionen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt erreichten wieder die 20-Prozent-Marke und steigen weiterhin moderat. Die öffentliche Verschuldung ist auf einem soliden Abwärtspfad. Wermutstropfen bleiben der Leistungsbilanzüberschuss und die geringe Reformfreude.
Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss von 7,5 Prozent im Betrachtungsjahr 2015 und einem weiteren Anstieg auf knapp neun Prozent 2016 liegt zum wiederholten Male über dem Schwellenwert von sechs Prozent. Die EU-Kommission sieht darin ein wirtschaftliches Ungleichgewicht, denn im Vergleich zur erfolgreichen Exportwirtschaft hinkt die Binnennachfrage hinterher. Angesichts globaler Unsicherheiten halten sich Unternehmen mit Investitionen und die Haushalte mit Konsumausgaben zurück. Das wird sich kurzfristig auch nicht ändern. In dieser Lage müsste die Politik national und europaweit die Bedingungen für öffentliche und private Investitionen verbessern. Der Schlüssel dazu wären weniger Bürokratie, Vorfahrt für den digitalen und den Energiebinnenmarkt sowie mehr Mittel für Verkehrsinfrastruktur.
Kommission fordert größere Reformanstrengungen von Deutschland
Gerade bei den notwendigen Reformen zeigt Deutschland laut EU-Kommission wenig Ehrgeiz. In der Implementierung der sogenannten „Länderspezifischen Empfehlungen“ aus dem Jahr 2016 gab es nur geringe Fortschritte. Dem Sektor Innovation und Bildung schenkt die Bundesregierung zu wenig Aufmerksamkeit, das Potenzial der öffentlichen Investitionen schöpft sie nicht aus, das Steuersystem ist kompliziert und ineffizient, in der Rentenversicherung gibt es Fehlanreize. Die Aufgabenliste aus Brüssel ist lang – und die Bundesregierung hat sie nicht zufriedenstellend abgearbeitet.
Der Länderbericht enthält zahlreiche Reformprioritäten, die im Mai Teil der neuen Länderspezifischen Empfehlungen sein werden. Darunter finden sich auch zahlreiche Punkte, die der BDI und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in Brüssel vorangetrieben hatten. Die Kommission regt etwa an, eine steuerliche Förderung für Forschung und Entwicklung einzuführen, um das Produktivitätswachstum zu steigern. Sie fordert auch stärkere Anreize für einen späteren und flexibleren Renteneintritt, um angemessen auf die alternde deutsche Bevölkerung zu reagieren. All diese Reformen wären das beste Rezept zur Korrektur der makroökonomischen Ungleichgewichte.