Die USA verabschieden sich unter Präsident Donald Trump aus der Rolle des Vorreiters für Liberalismus. Der Rückzug ins Schneckenhaus und eine Handelspolitik, die den Regeln der Welthandelsorganisation WTO zuwiderläuft, machen deutlich: Nichts an Verträgen, Abkommen und Institutionen, die viele Jahrzehnte lang ein geordnetes Zusammenleben garantierten, ist selbstverständlich.
Dieser Trend verändert die Lage in Deutschland grundlegend. Jetzt, in den in diesen Wochen bis Juli laufenden Haushaltsverhandlungen, ist höchste Zeit, unsere Prioritäten zu verändern: Die Abgeordneten des Bundestages müssen es in die Hand nehmen, stärker in die Verteidigung unserer Weltordnung zu investieren. Zumal der Ausbau der deutschen Investitionen im Verteidigungshaushalt eine gewichtige europäische Komponente hat.
Der Anteil der deutschen Verteidigungsausgaben am BIP wird im Jahr 2022 mit gerade einmal 1,23 Prozent sogar niedriger sein als heute, weil die Wirtschaftskraft stärker wächst als der Verteidigungsetat. Dabei verschafft das Wachstum des BIP sogar mehr Spielraum für Investitionen in unsere Sicherheit.
Kaum ein Land ist so verwoben mit der Welt wie wir. Als Exportnation profitieren wir überdurchschnittlich von dieser offenen Weltordnung, die auf festen Regeln und freiem Handel basiert. Daraus leitet sich unser wichtigstes außenpolitisches Interesse im 21. Jahrhundert ab: dieses Ordnungsgefüge zu erhalten und zukunftsfähig zu machen. So hat es Bundespräsident Joachim Gauck schon 2014 klar formuliert. Ich bin davon überzeugt, dass wir in der internationalen Zusammenarbeit die liberale, regelbasierte Weltordnung entschlossen verteidigen müssen.
Was Berlin tut oder unterlässt, wird wahrgenommen – in Europa und darüber hinaus. Die Bundesregierung muss sich für Multilateralismus und internationale Institutionen stark machen. Gemeinsam mit unseren europäischen Partnern, insbesondere unseren französischen Freunden, dürfen wir weder Protektionisten noch Isolationisten das Feld überlassen. Deutschland muss einen seiner Größe und Bedeutung entsprechenden Beitrag leisten – auch in der Verteidigung.
Es ist irritierend, dass Deutschland als „weltbester Trittbrettfahrer“ der Sicherheitspolitik gilt, wie es Wolfgang Ischinger beschreibt, der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz. „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, sind ein Stück vorbei“: Mit diesen Worten hat Bundeskanzlerin Merkel vor einem Jahr selbst ihre Schlussfolgerung gezogen. Nichts deutet darauf hin, dass die Vergangenheit, in der die USA wie selbstverständlich die größten Lasten übernommen haben, zurückkommen wird.
Deutsche Investitionen in Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit sind eine Frage der Glaubwürdigkeit, nach außen wie nach innen. Nach außen, weil unser Land zweifelsohne eine enorme „soft power“ besitzt: einen guten Ruf, jedoch ohne die ergänzende „hard power“, also die militärischen Fähigkeiten. Nach innen, weil Deutschland von den Partnern in EU und Nato Anstrengungen erwartet, welche wir bisher nicht selbst zu leisten bereit sind.
Die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Stärkung der EU erreichen wir Deutschen in der Sicherheitspolitik am ehesten durch die gemeinsame Entwicklung und Beschaffung von Material für die Streitkräfte der EU-Mitgliedsstaaten. Mehr Interoperabilität im Einsatz und niedrigere Kosten gehen bei diesen Gemeinschaftsvorhaben Hand in Hand.
Das Zeitfenster für europäische Kooperationsprojekte ist günstiger als je zuvor: Der politische Wille ist da. Dies gilt besonders für die Zusammenarbeit mit Frankreich. Unsere Nationen haben die Chance, konkrete und sichtbare Projekte gemeinsam zu realisieren. Europäische und bilaterale Vorhaben lassen sich jedoch nur dann erfolgreich umsetzen, wenn Deutschland sich gemäß seiner wirtschaftlichen Stärke an einer fairen Lastenteilung beteiligt.
Die Bundeswehr muss die bestmögliche Ausrüstung für ihre zunehmend gefährlichen Einsätze bekommen. Mehr Übungen bedeuten einen größeren Materialverschleiß – und damit einen höheren Bedarf. Die Forderung nach einem größeren Wehretat ist kein Signal von Auf- oder Wettrüsten. Es geht darum, die Parlamentsarmee Bundeswehr so auszustatten, dass sie ihren Verpflichtungen nachkommt und für den Ernstfall gewappnet ist.
Wir Deutschen stehen vor der Wahl, uns wegzuducken und auf bessere Tage zu hoffen – oder mit Taten für Werte und Prinzipien einzustehen. So schwer uns das auch fallen mag: Unsere Verteidigungsfähigkeit muss uns mehr wert sein.“