Bis vor Kurzem bot die Energiewende-Politik nur zwei Lösungen für einen nachhaltigen Umbau unserer Volkswirtschaft: Energieeffizienz und Elektrifizierung mit erneuerbarem Strom. Strom macht allerdings nur rund 20 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs Deutschlands aus. Den weitaus größeren Teil des Endenergieverbrauchs, nämlich 80 Prozent, decken bis heute fast ausschließlich Öl und Gas.
Dass sich dieses Verhältnis langfristig komplett ins Gegenteil verkehrt, ist unrealistisch: Nicht alle Prozesse einer Volkswirtschaft lassen sich mit heimischem oder im EU-Binnenmarkt verfügbarem erneuerbaren Strom zu 100 Prozent direkt elektrifizieren. „Wasserstoff eröffnet uns die Möglichkeit, den riesigen Anteil von Gasen und Brennstoffen CO2-neutral zu bekommen, und schafft somit eine Perspektive für industrielle Wertschöpfung auf einem klimaneutralen Kontinent“, sagt Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer.
„Die Verfügbarkeit von Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen, sei es aus heimischer Quelle oder als Import, wird über die Zukunftsfähigkeit unseres Industriestandorts und den Erhalt des heutigen Wohlstands in Deutschland und Europa entscheiden“, sagt Lösch. Denn in einer klimaneutralen Welt sei der Zugang zu CO2-freien Energieträgern die Voraussetzung für die industrielle Wertschöpfung.
„Es gibt keinen Gegensatz zwischen Wasserstoff und erneuerbarem Strom“, ist Lösch überzeugt. „Langfristig werden erneuerbarer Strom und Wasserstoff mit seinen Derivaten das Zwillingspaar sein, mit dem uns die Energiewende in Deutschland und Europa gelingt.“
Leider thematisiert der aktuelle Entwurf der Nationalen Wasserstoffstrategie nur unzureichend die Frage der Stromkosten. Dabei sind sie zentral für die Wettbewerbsfähigkeit von grünem Wasserstoff. Solange Strom mit der EEG-Umlage belastet ist, wird es keine Wasserstoffherstellung im industriellen Maßstab in Deutschland geben.
Der Aufbau einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft in Deutschland ist ein wesentliches Element eines erfolgreichen Konjunkturprogramms. Denn mit Wasserstofftechnologien gibt es die Möglichkeit, neue Wertschöpfungsketten zu schaffen, zusätzliche Exportpotenziale zu erschließen und positive Effekte für das Klima zu erzielen.
Noch fehlt ein ganzheitliches Konzept für eine europäische Wasserstoffstrategie. „Deutschland muss seine EU-Ratspräsidentschaft dazu nutzen, Europa auf diesem Pfad voranzubringen“, fordert Lösch.
Außerdem bieten Wasserstoffimporte aus anderen Weltregionen den großen Vorteil geringer Kosten. So ist etwa in Australien, Chile oder Marokko die erneuerbare Stromproduktion an bestimmten Standorten bereits für 0,02 US-Dollar pro Kilowattstunde möglich. Das ist ein Bruchteil aktueller Kosten. Mit internationaler Kooperation in Krisenzeiten lässt sich zeigen, wie Industrie- und Klimapolitik erfolgreich zusammengehen.