Infolge der Corona-Pandemie erlebt Deutschland eine Rezession, für deren Ausmaß es in der deutschen Nachkriegsgeschichte kein Beispiel gibt. Unternehmen sind in ihrer Existenz bedroht, und nicht alle Betriebe werden diese Zeit überleben. „Für den wirtschaftlichen Wiedereintritt und den Aufbau von Vertrauen in den Standort ist ein spürbarer Abbau bürokratischer Lasten zentrale Voraussetzung“, sagt BDI-Präsident Dieter Kempf.
Der gezielte Abbau kostenintensiver Belastungen trägt dazu bei, unternehmerisches Handeln zu erleichtern und die Wirtschaft wieder hochzufahren. Kürzlich hat der BDI 66 konkrete Ansatzpunkte aus unterschiedlichsten Feldern zur Diskussion gestellt. Sie kosten kein öffentliches Geld und sind geeignet, das regulatorische System Deutschlands dauerhaft schlanker, effektiver und resilienter zu machen.
Dazu zählt auch, die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung schneller und umfassender voranzutreiben. Denn E-Government hilft, Bürokratie und Kosten für Unternehmen abzubauen. Auch darf es bei der nationalen Umsetzung europäischen Rechts keine Verschärfung mehr geben: Derartige Sonderwege benachteiligen deutsche Unternehmen im europäischen und internationalen Wettbewerb.
„Überzogene Bürokratie frisst Zeit, Nerven und Geld in Unternehmen aller Größen, Regionen und Branchen. Sie hemmt Innovation und ist – real wie gefühlt – ein Standortnachteil. Trotz nun schon dreier Bürokratieentlastungsgesetze bleibt der Abbau weit hinter den Erwartungen der Wirtschaft zurück“, sagt Kempf. Tatsächlich erschweren immer mehr Berichts-, Informations- und Nachweispflichten den unternehmerischen Alltag.
Dringend bleibt, die Instrumente zur Erfassung bürokratischer Belastungen zu verbessern. Berücksichtigt werden bisher weder Eins-zu-eins-Umsetzungen von EU-Vorgaben noch der einmalige Erfüllungsaufwand (Umstellungsaufwand) durch neue Gesetze. Letzterer betrug laut Nationalem Normenkontrollrat allein im jüngsten Berichtszeitraum (2018/19) 440,6 Millionen Euro. In der Langzeitbetrachtung wuchs dieser seit dem Jahr 2011 sogar um fast fünf Milliarden Euro an – allein für die Wirtschaft.
Auch der Zeitpunkt der Bürokratiekostenmessung verzerrt die Realität. Die Kosten werden bei Kabinettsbeschluss beziffert, tatsächlich werden Be- und Entlastungen aber oft erst nach Jahren wirksam. Solche systematischen Lücken lassen den Abstand zur Realität in den Betrieben immer größer werden.
Darüber hinaus muss auch der Gesetzgebungsprozess besser und dem Prinzip Gründlichkeit vor Schnelligkeit wieder mehr Raum gegeben werden. Der Sachverstand der Wirtschaft wird in die Gesetzgebung immer weniger einbezogen. Kurze Fristen bei Stellungnahmen zu Gesetzen, intransparente Nachmessungen und Evaluierungen sind zur Regel geworden.
Sinnvolle Vorschläge für grundsätzliche Verbesserungen bietet das Gutachten des Normenkontrollrats „Erst der Inhalt, dann die Paragrafen“ aus dem Herbst 2019. Dieses sieht vor, dass Ministerien Ideen für Gesetze bereits in einem sehr frühen Stadium in Form von Eckpunktepapieren teilen, sodass Probleme frühzeitig identifiziert und gelöst werden können.