„Jüngst hat das Bundesumweltministerium die Klimabilanz für das vergangene Jahr vorgelegt. Danach sind die Emissionen in Deutschland gegenüber 1990 um fast 41 Prozent zurückgegangen. Klar ist, dass die Corona-Pandemie für einen gewissen kurzfristigen Rückgang der Emissionen verantwortlich war. Der größere Anteil – rund zwei Drittel – wurde jedoch durch Investitionsanstrengungen von Wirtschaft und Gesellschaft erzielt.
Dieser Kraftakt wird zusehends schwerer, da im internationalen Wettbewerb keine vergleichbaren Klimaziele in naher Zukunft absehbar sind. Die Ankündigungen Chinas, der USA und Japans für Langfristziele sind zwar erste positive Zeichen, noch fehlen aber konkrete Taten. Statt auf das Jahr 2050 konzentriert sich die EU inzwischen mit ihrem Ziel bereits auf das Jahr 2030. Das erhöht den Handlungsdruck und verschärft die Wettbewerbssituation für die Industrie zusätzlich.
Die EU setzt mit einem neuen verbindlichen innereuropäischen Netto-Treibhausgasminderungsziel von mindestens 55 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990 weltweit erneut Maßstäbe. Laut Europäischer Kommission sind dafür jährlich mehr als 200 Milliarden Euro zusätzlicher Investitionen notwendig. Für Deutschland wird sich das Klimaziel voraussichtlich um zehn bis 15 Prozentpunkte auf 65 bis 70 Prozent erhöhen. Das bedeutet mindestens eine Verdopplung der jährlichen Minderungen gegenüber dem bisherigen Ziel.
Ohne international gleichwertige Wettbewerbsbedingungen würde sich die Verlagerung von Investitionen aus Europa heraus erhöhen – und anschließend die bloße Verlagerung von Emissionen erfolgen (Carbon Leakage). Deshalb ist es fundamental, die Rahmenbedingungen schnellstmöglich anzupassen.
Um den verschärften Anforderungen gerecht zu werden, muss Europa weitgehende strukturelle Reformen ergreifen. Dabei geht es etwa um die Energiebesteuerung, das öffentliche Beschaffungswesen oder den Carbon-Leakage-Schutz: Das wird eine Herkulesaufgabe.
Lediglich die Hälfte der Mitgliedstaaten hat oder plant eine CO2-Bepreisung für die Sektoren Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft. Dies führt zu Marktverzerrungen innerhalb Europas. Das Kurzfristziel bis zum Jahr 2025 sollte daher eine Harmonisierung der verschiedenen CO2-Preisregimes sein. Mittelfristig – spätestens bis etwa 2035 – brauchen wir international vergleichbare CO2-Preise. Dafür müssen die USA und China ins Boot geholt werden.
Solange es international keine vergleichbaren CO2-Preissignale gibt, muss die Politik für gleichwertige Wettbewerbsbedingungen durch Carbon-Leakage-Schutzmaßnahmen sorgen. Auf keinen Fall dürfen innereuropäische klimapolitische Maßnahmen zu neuen Handelskonflikten führen. Ein gemeinsamer CO2-Preis ist deshalb die erste Wahl – und jeder Form von Grenzausgleichsmechanismus vorzuziehen.
Außerdem wäre die Aufstockung des Innovationsfonds erstrebenswert. Bei der ersten Ausschreibung wurde ein Finanzbedarf registriert, der 22 mal höher als das verfügbare Budget war. Mit der Erhöhung der 2030er Klimaziele durch die EU werden deutlich mehr finanzielle Ressourcen benötigt für CO2-arme Technologien in den am Europäischen Emissionshandel ETS beteiligten Sektoren und insbesondere in der Industrie. Eine Aufstockung des Innovationsfonds könnte zumindest einen Teil des Finanzbedarfs decken.
Der Betrieb CO2-armer Schlüsseltechnologien ist heute oft schon technisch möglich, jedoch ist er aufgrund hoher Investitions- und Betriebskosten im internationalen Wettbewerb nicht wirtschaftlich. Es bedarf deshalb staatlicher Rahmenbedingungen, welche die Mehrkosten für die großflächige Anwendung der neuen CO2-armen bzw. -freien Technologien in der Industrie ausgleichen.
Eine konsequente öffentliche Innovationsförderung ist entscheidend, will Europa Klimaschutz durch neue technische Lösungen schneller und günstiger erreichen. Technologische Durchbrüche lassen sich nicht planen, daher sollten die Rahmenbedingungen für unternehmerisch getriebene Innovation am Standort verbessert werden. Die Förderung weiterer Innovationen auch bei heute schon existierenden Schlüsseltechnologien ist unerlässlich auf dem Weg zu mehr Klimaschutz.
Bereits seit Jahrzehnten leistet die deutsche Industrie mit innovativen Technologien und Produkten einen wesentlichen Beitrag für den Schutz des Klimas. Unsere Unternehmen sind keineswegs das Problem, sondern vielmehr Problemlöser. Dass dies auch zukünftig möglich ist, um Innovation und Investitionen und damit auch Wohlstand und Beschäftigung hierzulande zu sichern, bleibt eine Aufgabe für die Politik.“