„Die deutsche Wirtschaft ist auf den Weltmärkten zu Hause. Globale Wertschöpfungsketten und Investitionen sind der Sauerstoff für unsere Unternehmen. Nur wenige Volkswirtschaften sind so offen und sind so stark in die internationale Arbeitsteilung integriert wie die deutsche. In diesen Tagen ist es wichtig, den Hinweis zu ergänzen: Dies geschieht nicht auf Kosten anderer Volkswirtschaften. Im Gegenteil: Der deutsche Kapitalexport ist – etwa in den USA – ausdrücklich gewünscht und schafft dort Arbeitsplätze.
Politik und Wirtschaft – wir müssen uns daher gemeinsam einsetzen für eine globale Wirtschaftsordnung entlang folgender Leitlinien: Sie braucht erstens klare Regeln, sie muss zweitens grundsätzlich offen sein und drittens: Sie muss so viele wie möglich mitnehmen.
Klare Regeln bedeuten: Alle müssen nach den gleichen Regeln spielen. Wer sie unterläuft, muss mit Gegenmaßnahmen rechnen. Offen sein bedeutet: Abschottung ist nicht der richtige Weg. Deutschland muss seine Offenheit bewahren und darf den Marktzugang für andere nicht erschweren. Alle mitzunehmen bedeutet: Das Versprechen der Globalisierung muss sich für möglichst viele erfüllen.
Wir in Deutschland haben dafür schon vor Jahrzehnten ein Modell gefunden: die soziale Marktwirtschaft. Sie schafft Wachstum, das allen nützt. Doch auch sie muss sich immer wieder erneuern. Wir brauchen eine ehrliche Debatte, wie wir denen helfen, die im globalen Wettbewerb nicht mitkommen. Hier müssen gerade wir als eine der führenden Industrienationen am Ball bleiben und weltweit für Akzeptanz, Verlässlichkeit und Offenheit werben.
In diesem Zusammenhang bereitet es uns Sorge, dass die zentralen Ideen der Offenheit und Verlässlichkeit gegenwärtig auf der anderen Seite des Atlantiks in Frage gestellt werden. Einreiseverbote, der Rückzug aus Freihandelsabkommen oder die Androhung einer Border Adjustment Tax stehen im Gegensatz zu unserer bisherigen transatlantischen Wertepartnerschaft. Die Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens ist nur das bisher schrillste unter den beunruhigenden Signalen an die internationale Gemeinschaft.
Berechenbarkeit war gestern. Langjährige Wirtschaftsbeziehungen, robuste Wertschöpfungsketten über den Atlantik hinweg oder eben auch Klimaabkommen werden plötzlich daran gemessen, ob sie ein good deal oder ein bad deal sind. Der unmittelbare Gegenwert ersetzt den langfristigen Wert einer gemeinsamen Vision und einer auf Dauer angelegten Partnerschaft.
Wie gehen wir damit um? Wir müssen selbstbewusst aufzeigen, dass die deutsche Industrie nicht nur in Deutschland Arbeitsplätze sichert, Innovation vorantreibt und Wohlstand schafft, sondern auf der ganzen Welt und nicht zuletzt in den USA. Ebenso selbstbewusst können wir darauf verweisen, dass unsere Handels- und Investitionsbeziehungen mit den USA eine Win-Win-Situation und eben kein Nullsummenspiel sind.
Das gilt im Übrigen auch im Hinblick auf die Diskussion um unsere Handelsbilanzüberschüsse, die nichts mit unfairen Wettbewerbsbedingungen zu tun haben und auf die wir hierzulande entschlossen mit höheren Investitionen reagieren sollten. In der EU müssen wir gemeinsam politische und ökonomische Antworten auf diese neue Herausforderung finden.
Lassen Sie uns bei alledem aber nicht vergessen: Trotz der aktuellen Sorgen darf an der transatlantischen Wertegemeinschaft kein Zweifel bestehen. Freiheit, Menschenrechte und die Würde des Einzelnen sind unser gemeinsames Fundament – das Fundament der freien Welt. Diese Werte werden von vielen Amerikanern hochgehalten und derzeit mit großem Einsatz verteidigt. Für die transatlantische Partnerschaft gibt es daher – trotz unserer wachsenden Handelsbeziehungen zu China und anderen großen Industrienationen – keinen Ersatz.“