„Die gute Wirtschaftslage ist kein Freifahrtschein zum Ausruhen. Die nächste Bundesregierung muss die deutsche Wirtschaft zukunftsfest machen“, sagte der BDI-Präsident Kempf im Gespräch mit dem dänischen Industrieverband. In einer großen Koalition sehe er die Gefahr, dass – unabhängig von politischen Farben – der Wunsch zu verteilen größer sei als das Schaffen von Chancen. „Dabei ist unser Erfolg vom schwachen Euro-Kurs, einem moderaten Ölpreis und einer expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank überzeichnet. Das sind alles Faktoren, über die wir nur sehr begrenzt Kontrolle haben.“ Was wir für gegeben halten, könne daher schnell in Gefahr geraten. „Wir Europäer werden uns mehr anstrengen müssen, um unseren bisherigen Wohlstand zu halten.“
Zur Bundestagswahl sollten sich die Parteien vor allem auf Steuerpolitik, Energiefragen und Digitalisierung konzentrieren. „Die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung muss kommen.“ Kempf sprach sich außerdem für eine Steuerstrukturreform aus und formulierte klare Vorstellungen für die Rekordsteuereinnahmen. „Unser Vorschlag lautet: ein Drittel der Überschüsse für Investitionen, ein Drittel für Bildung, ein Drittel für Steuerstrukturreformen.“ Auch die zukünftige Finanzierung der Energiewende sei eine wichtige Aufgabe, mit der sich die Politik intensiver befassen müsse. Die Senkung der Belastungen habe für Industrieunternehmen eine hohe Priorität.
Große Sorgen macht sich der BDI-Präsident um die Breitbandversorgung. „Ungefähr zwei von drei Industriearbeitsplätzen befinden sich im ländlichen Raum. Weniger als ein Drittel der Unternehmen auf dem Land verfügen über 50 Megabit pro Sekunde.“ Eine um ein Prozent schnellere Verbindungsgeschwindigkeit würde das Bruttoinlandsprodukt um knapp zwei Milliarden Euro pro Jahr erhöhen.
Mit Blick auf die Europäische Union warnte Kempf vor näher rückenden Unsicherheiten und Konfliktherden. Daher müssten die EU-Institutionen gestärkt werden. Unter bestimmten Bedingungen seien auch ein gemeinsames Eurozonen-Budget und ein Euro-Finanzminister sinnvoll. „Zentrale Voraussetzung für ein gemeinsames Eurozonen-Budget ist, Risiken nicht nur zu teilen, sondern insgesamt zu reduzieren. Kein einzelner Staat darf sich seiner Verantwortung entziehen.“ Generell brauche es eine striktere Disziplin bei Reform und Haushalt der Mitgliedstaaten.
Der BDI-Präsident rief Deutschland und Europa dazu auf, sich weltweit mehr für eine globale Wirtschaftsordnung zu engagieren, die sich durch klare Regeln und Offenheit auszeichnet. „Außenhandel ist einmal mehr der Motor unserer Volkswirtschaften. Die nächste Regierung muss sich weiterhin entschieden gegen Protektionismus und für die Stärkung der multilateralen Handelsordnung mit der Welthandelsorganisation WTO im Zentrum aussprechen.“