Für den 60-jährigen Jostmann, der bis Anfang März Senior Vice President der Evonik Industries AG war und diese auch weiterhin beratend unterstützt, ist das keine so exotische Kombination, wie man zunächst denken könnte: „Die Praxis, das komplexe Chemikalienrecht in einem Konzern umzusetzen, der nicht nur in der EU, sondern weltweit produziert, ist das entscheidende Prüfschema für ambitionierte Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik.“ Denn nur das, was sich am Ende auch im betrieblichen Alltag umsetzen lasse, bringe das gewünschte Resultat. „Für Deutschland heißt das: eine lebenswerte Umwelt an einem lebensfähigen und attraktiven Industriestandort. Und damit sind wir unmittelbar beim Kern der Nachhaltigkeitspolitik.“
Wie das in der Praxis gelingt, zeigt die Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2016 an Evonik in der Kategorie Forschung. Ausgezeichnet wurde ein Projekt, das anwendungsnah ist und zu einem nachhaltigen Umgang mit Wärme beiträgt. Konkret geht es um ein neues Produktionsverfahren für thermoelektrische Generatoren, die überschüssige Abwärme auf direktem Wege in elektrischen Strom umwandeln können.
Bis man zu einem solchen Ergebnis gelangt, ist eine Menge an Voraussetzungen zu schaffen. Vieles muss zusammenpassen: Innovationsklima und Arbeitsschutz, Anlagen- und Produktsicherheit, Chemikalienrecht, Naturschutz, Ressourceneffizienz, soziale Absicherung der Mitarbeiter, Energiemanagement. Die Dynamik der Gesetzgebung sorgt dafür, dass Unternehmen immer wieder von Neuem dieses Zusammenspiel auszutarieren haben. „Der Gesetzgeber muss erkennen, dass man nicht permanent mitten im Lauf die Pferde wechseln kann. Man braucht stabile Bedingungen und Planungssicherheit, um die Dinge ans Laufen zu bekommen und für alle Beteiligten tragbare Resultate erzielen zu können“, sagt Jostmann.
Gute Standortbedingungen in Deutschland
Der promovierte Chemietechniker wird sich in seiner Rolle als Vorsitzender des BDI-Ausschusses Umwelt, Technik und Nachhaltigkeit mehr als zuvor mit der politischen Gestaltung der Standortbedingungen in Deutschland befassen. „Unser Standort hat unschlagbare Vorteile wie die Qualifikation der Mitarbeiter, die Nähe zu führenden Forschungseinrichtungen, aber auch extreme Sonderbelastungen wie die Energiepreise“, erklärt Jostmann. Zudem wollen die Umweltbehörden Deutschland in allen Umweltbelangen zum Vorreiter machen. Hier wünsche er sich mehr Maß und Mitte. „Die deutsche Industrie ist auf einem guten Weg, unsere ständigen Effizienzsteigerungen und die bereits erzielten Umweltstandards werden weltweit bewundert. Beharrlichkeit auf dem Weg der nachhaltigen Entwicklung ist unser Erfolgsrezept.“
Mit wirtschaftsförderlichen Standortbedingungen in Deutschland lasse sich auch global eine Menge für die Sustainable Development Goals beitragen. Mit denen haben sich die Vereinten Nationen sehr ambitionierte Entwicklungsziele in puncto Nachhaltigkeit bis zum Jahr 2030 gegeben. In NRW mit der größten Industriedichte und Standort der Evonik-Konzernzentrale sieht der gebürtige Münsterländer die Früchte dieser Beharrlichkeit und die permanente Notwendigkeit eines transparenten Dialogs mit Politik und Öffentlichkeit täglich in unmittelbarer Umgebung.